Bukavu, Tag 2

Großer See – kein Wasser

Die „Schweiz Afrikas“: Die Berge in der Umgebung des Lac Kivu sind bis zu 2.000 Meter hoch

Das Licht ist milchig. Über dem Kivu-See liegt leichter Dunst. Aber die Sonne ballert schon um 8 Uhr morgens. Der See schimmert blaugrün, am Ufer erheben sich sanfte Hügel. „Die Schweiz Afrikas“ wird Bukavu wegen dieser Landschaft genannt. Aber der Vergleich hinkt.

Das Wasser trägt die Stimmen der Leute am gegenüberliegenden Ufer über den See. Sie schöpfen Wasser und tragen es in großen Plastiktonnen nach Hause. Viele Häuser der 800.000-Einwohner-Stadt Bukavu haben theoretisch fließendes Wasser. Doch aus dem Wasserhahn kommt nichts. Seit Wochen, in der ganzen Stadt. Nachts um 3, 4 Uhr kann man Glück haben, heißt es. Ansonsten behilft man sich mit Schöpf-Eimerchen und Waschschüsseln, die jemand am See befüllen muss.

Morgen am Ufer des Kivu-Sees

Für mich kein Problem. Ein Abenteuer. Marie-Noelle, unsere Pensions-Mutti, ist stinksauer: „Wir sind in der Gegend der Großen Seen. – Hier gibt es überall Wasser, buchstäblich vor unserer Nase.“ Sie zeigt auf das malerische Ufer, das ihren Garten begrenzt. „Wie kann die Regionalregierung behaupten, der Wasserstand sei für die Versorgung zu niedrig?“ Marie-Noelle schüttelt den Kopf. „Nichts funktioniert hier! Keine Regierung, keine Verwaltung, und es wird immer schlimmer.“

Die Terrasse am Seeufer ist friedlich, idyllisch. Aber Marie-Noelle guckt düster: „Der Krieg ist furchtbar. Er hat alles kaputt gemacht. Man sieht es ihnen ja nicht an, aber die Leute haben Hunger. Das dominiert alles. Sie töten hier wirklich für ein Stück Brot.“

Marie-Noelle

Dass sie also im Moment in Belgien ihren Master in Anthropologie zu Ende macht, ist ihr ganz recht. Aber Marie-Noelle sagt ganz klar: Ihre Heimat ist hier. Natürlich will sie lieber bei 25 Grad in ihrem großen Haus mit Garten am paradiesischen See sein, als in einer 1-Zimmer-Wohnung mit Außenklo in Louvain. Aber die Misere, das unwürdige Leben ohne Wasser und Strom und vor allem das Gefühl, der Gefahr ständig ausgeliefert zu sein – das ist zu viel. „Die Leute in Europa haben keine Ahnung, was hier los ist. Sie haben keine Ahnung, warum die Menschen von hier fliehen. Es ist so ungerecht!“

Wir sind gut geschützt, immer in Begleitung unterwegs, haben von der Gewalt bisher nichts mitbekommen. Aber selbst die paar Schritte vom Restaurant „Coco Lodge“, das WiFi hat und eine Art Headquarter unseres Teams ist – selbst die kurze Strecke zu Marie-Noelle sollen wir lieber nicht ohne Begleitung gehen. Vor einem Monat sind in Beni in Nord-Kivu über 900 Gefangene aus einem Knast geflohen, viele von ihnen saßen wegen Massakern an Zivilisten.

Ganz ehrlich: Ich kriege das alles in dieser Idylle nicht in meinen Kopf.

Downtown Bukavu
Bukavu

Nachgehakt

Das mit dem fehlenden Wasser habe ich nachträglich noch mal versucht zu klären. Die Lokalregierung sagt, es liege zum einen am niedrigen Wasserstand des Sees. Zum anderen haben zu viele Leute gebaut, die Stadt sei in den letzten Jahren explodiert (Armut und Krieg, Stadtflucht), die Leute hätten zum Teil beim Bauen die Wasserleitungen zerstört. Aber die Anwohner glauben daran nicht. Sie glauben, es liege an der Passivität der Verwaltung, vernünftige Pumpen zu bauen.

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